Medizinnobelpreis 1951: Max Theiler

Medizinnobelpreis 1951: Max Theiler
Medizinnobelpreis 1951: Max Theiler
 
Der amerikanische Bakteriologe südafrikanischer Herkunft erhielt den Nobelpreis »für die Erforschung des Gelbfiebers und seiner Bekämpfung«.
 
 
Max Theiler, * Pretoria (Südafrika) 30. 1. 1899, ✝ New Haven (Connecticut) 11. 8. 1972; ab 1930 Mitarbeiter der internationalen Gesundheitsabteilung der Rockefeller-Stiftung in New York, ab 1951 Leitung der Laboratorien für Medizin und öffentliches Gesundheitswesen der Rockefeller-Stiftung, ab 1964 Professor an der Yale University in New Haven, Arbeiten über Gelbfieber und andere Infektionskrankheiten.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Gelb wie die sengende Sonne sieht das fiebernde Kind aus, das Angehörige in die ferne Klinik tragen. Hepatitis diagnostiziert der Urwaldarzt auf den ersten Blick. Als die Körpertemperatur innerhalb weniger Stunden aber auf lebensgefährliche 42°C steigt, die Fingernägel sich aschfahl und die Lippen bleigrau färben, ahnt der Arzt Schlimmeres. Ein sanfter Druck auf den brettharten Bauch des kleinen Patienten und der schreit vor Schmerz auf. Sein Herz rast. Dann erbricht das Kind in einem einzigen, vor geronnenem Blut schwarzen Schwall den gesamten Inhalt seines Magens samt Magenschleimhaut und stirbt kurze Zeit später.
 
Nein, nicht von Ebola ist die Rede, sondern von Gelbfieber. Beide Krankheiten aber ähneln sich in vielerlei Hinsicht. So sind sie sehr gefährlich. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Als Napoleon auf Haiti rebellierenden Sklaven 25 000 Soldaten in den Urwald hinterher schickte, kehrten nach wenigen Wochen gerade einmal 3000 Männer zurück. Der Rest war an Gelbfieber gestorben. Weil die meisten seiner Arbeiter an Gelbfieber und Malaria starben, scheiterte der Erbauer des Sueskanals, Ferdinand de Lesseps, am Bau des Panamakanals. Erst als die Ursache der Krankheit aufgeklärt und damit Vorsorge möglich war, konnte die Wasserstraße zwischen Karibik und Pazifik fertig gestellt werden.
 
 Eine Stechmücke als Überträger von Gelbfieber
 
Bereits im 18. Jahrhundert war aufgefallen, dass Gelbfieber nur an Orten auftritt, an denen es sehr viele Moskitos gibt. Tatsächlich wird Gelbfieber ähnlich wie Malaria von einer Stechmücke verbreitet. Der amerikanische Armeearzt Walter Reed konnte 1900 nicht nur den Moskito Aedes aegyptii als Überträger identifizieren, sondern entdeckte auch gleich den Erreger: Nicht wie bisher angenommen Bakterien, sondern ein Virus überträgt das tödliche Leiden. Saugen die Moskitos das Blut eines Gelbfieberpatienten, nehmen sie den Erreger in sich auf und geben ihn an ihr nächstes Opfer weiter. Die Moskitos vermehren sich in Wasserlachen und Pfützen, im Wasser, das sich in Autoreifen sammelt und in Feuerlöschteichen — kurz, in stehendem Wasser. Legt man diese Stellen trocken, verschwinden die Insekten. Man kann sie natürlich auch an ihren Brutstätten töten, sodass mit dem Überträger auch die Krankheit verschwindet. Solche Methoden wandte man in Panama an und konnte endlich den Kanal zwischen Karibik und Pazifik bauen, der den langen Schiffsweg um Südamerika und Kap Hoorn herum spart.
 
Im Jahr 1911 aber erkannten südamerikanische Ärzte, dass man sich auch im Urwald direkt mit Gelbfieber infizieren kann. Dort grassiert die Krankheit unter Affen und wird ebenfalls über Aedes aegyptii auf den Menschen übertragen. Nach dieser Erkenntnis begann sich die Abteilung Internationale Gesundheit der amerikanischen Rockefeller-Stiftung mit dieser Infektion zu befassen. 1927 gelang es erstmals, Gelbfieber auch in Laborexperimenten auf Affen zu übertragen. Mit diesen infizierten Tieren hoffte man, die Krankheit genauer erforschen zu können.
 
 Experimente mit Mäusen
 
Affen sind jedoch teuer. Viele Experimente kann man mit diesen Tieren daher nicht machen. Als es dem in Südafrika geborenen Amerikaner Max Theiler gelang, Gelbfieber auf weiße Mäuse zu übertragen, war dies ein gewaltiger Fortschritt. Jetzt konnte man Tausende von Tieren mit vergleichsweise niedrigen Kosten untersuchen. Rasch erhielt Theiler dann auch bahnbrechende Ergebnisse: Spritzt man den Mäusen das Serum von Menschen oder Affen, die Gelbfieber überstanden haben, kann sie das Virus nicht mehr infizieren.
 
Damit wurde deutlich, dass ein Impfstoff gegen die Krankheit entwickelt werden konnte. Allerdings gab das Serum von ehemaligen Gelbfieberpatienten nur vorübergehend Schutz. Und es war klar, dass bei weitem nicht genug Serum verfügbar war, um alle gefährdeten Menschen zu impfen. Viel besser könnte man mit einem Erreger arbeiten, der zwar ähnlich aussieht wie das Gelbfiebervirus, der aber nicht zu demselben verheerenden Krankheitsbild führt. Abgeschwächte Viren nennen Virologen solche Erreger. Sie lösen die gleiche Reaktion des Immunsystems aus wie der richtige Erreger, ohne Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Anschließend bewahrt das Immunsystem diese Information viele Jahre lang. Eine richtige Gelbfieberinfektion könnte danach so gut bekämpft werden, dass die Krankheit nicht ausbricht.
 
1932 entdeckten die Forscher der Rockefeller-Stiftung eine Möglichkeit, das Gelbfiebervirus abzuschwächen. Man musste nur den Erreger von Maus zu Maus übertragen. Bei jedem Schritt wurde das Virus weniger gefährlich, bis man schließlich Affen problemlos infizieren konnte, ohne dass sie erkrankten. Die Tiere wurden immun gegen Gelbfieber — ein guter Impfstoff war in Sicht.
 
 17D — der Impfstoff gegen Gelbfieber
 
Max Theiler und seine Mitarbeiter konnten nach intensiven Forschungen endlich 17D in den Händen halten. Dieser Impfstoff lässt sich in sehr großer Menge produzieren und schützt zuverlässig vor Gelbfieber. Nebenwirkungen hat die Impfung nur in sehr geringem Umfang. Völlig zu Recht erhielt Max Theiler daher 1951 den Nobelpreis für Medizin. Noch heute ist es bei der Einreise in vielen Ländern Pflicht, diese Impfung gegen Gelbfieber nachzuweisen. Mit dieser strikten Vorschrift schützen sich zum Beispiel asiatische Länder vor dem Einschleppen von Gelbfieber. Dort kommt zwar der Überträger der Krankheit vor, nicht aber der Erreger, das Gelbfiebervirus.
 
 Die Gefahr ist nicht gebannt
 
Im tropischen Afrika und in Südamerika aber grassiert die Krankheit weiter, weil sich viele Menschen die teure Impfung nicht leisten können. Tropenärzte befürchten sogar, in Zukunft könne sich die Infektion so dramatisch ausbreiten wie Malaria. Denn Aedes aegyptii vermehrt sich überall in den warmen Regionen der Erde, in denen es offenes Wasser gibt. Selbst eine mit Wasser gefüllte Getränkedose genügt ihnen. Noch sind die Mücken in der Umgebung der südamerikanischen Megastädte frei vom Gelbfiebervirus. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis vereinzelte Erreger aus den Urwaldregionen sich dort verbreiten. Von Südamerika wird die Epidemie dann rasch in den Süden der USA schwappen, wo bereits Aedes-aegyptii-Mücken in den Sümpfen brüten. Wenn sich dann noch die Temperaturen des Globus weiter aufheizen, finden die Erreger wohl auch in den bisher gemäßigten Zonen ihre Opfer, befürchten Experten.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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